
22 Nov Eine bunte Blume mit vielen Blättern im Quartier
Erfurt. Noch ist nicht endgültig entschieden, welcher Entwurf des Architekten-Wettbewerbs am Europaplatz für das Europa-Karree II umgesetzt werden soll. Drei waren noch im Rennen (wir berichteten). Aber feststeht: Die Bauherren von Tempus halten eine Fläche für einen Gemeinschafts- und Begegnungsort im Quartier vor, welche die Lebenshilfe Erfurt betreiben wird. Gemeinsam stellten beide Partner erste Pläne dazu vor.
Wie ein „Dorf in der Stadt“ anstelle der Anonymität einer Großstadt wünscht sich Tempus-Geschäftsführer Tobias Schallert das künftige Quartier mit insgesamt 450 Wohnungen im Europa-Karree I und II. Das Angebot der Anlaufstelle soll für deren Bewohner gelten, aber auch Besuchern offenstehen.
Weil laut Schallert noch fünf bis acht Jahre ins Land gehen könnten, ehe die Wohnungen im Europa-Karree II bezugsfertig sind, bleibt für weitere Ideen zum Anlaufpunkt im Quartier noch ausreichend Zeit. Schriftlich fixiert wurden deshalb die Vereinbarungen zwischen Bauherr und Lebenshilfe noch nicht. Gespräche darüber, wie ein solcher Gemeinschafts- und Begegnungsort mit Leben erfüllt werden kann, gab es aber schon einige. Schallert wiederholte das Angebot, die 200 bis 300 Quadratmeter – je nachdem, welcher Entwurf umgesetzt wird – der Lebenshilfe Erfurt zu einem symbolischen Preis von einem Euro Kaltmiete zur Verfügung zu stellen.
„Bedarfsorientierte Angebote“ soll es dort geben, mit Café-Ecke und Spielplatz vor der Tür, Dienstleistungs- und Veranstaltungsangeboten und der Möglichkeit, einen Raum für eigene Veranstaltungen zu nutzen.
Die Lebenshilfe Erfurt hat mit einem Modell wie dem geplanten mit dem Arbeitstitel „Nachbartreff“ gute Erfahrungen gesammelt: Da war zunächst das Café Mia in der Brühler Straße und seit zweieinhalb Jahren läuft gleich im Haus daneben der „Service im Brühl“. Genaugenommen befindet sich an diesem Ort die Beratungsstelle für die verschiedenen Angebote der Inklusionsfirma Lebenshilfe Service gGmbH, die von haushaltsnahen Dienstleistungen über Bildungsangebote und Unterstützung im Alltag bis zur Grünanlagenpflege reichen. Ebenso wie angebotene Veranstaltungen ziehen diese Menschen ins Haus. Das bietet enorme Kommunikationsmöglichkeiten, hat sich herausgestellt. „Inzwischen sind wir sogar Paketshop“, berichtet Lebenshilfe-Geschäftsführer Uwe Kintscher. „Seitdem mussten wir wegen der starken Nachfrage noch einen Arbeitsplatz am Empfang einrichten, der auch von einer Frau mit Behinderungen besetzt ist“, erklärt er. Erklärtes Ziel der Inklusionsfirma ist es, Menschen mit Behinderung am ersten Arbeitsmarkt zu beschäftigen. Die Inklusionsfirma hat 190 Mitarbeiter, von denen genau die Hälfte Menschen mit einer Behinderung sind. Alle haben ihren Job ohne Befristung. Das breite Angebot bezeichnet Kintscher als „bunte Blume mit vielen verschiedenen Blättern“.
„Kopieren wollen wir unseren Service im Brühl für den Europaplatz nicht“, betont Kintscher. Aber die Erfahrungen kommen den Plänen für das Betreiben eines solchen Anlaufpunktes im Norden der Stadt zugute. Als vorteilhaft bewertet es der Geschäftsführer, dass im Europa-Karree eine zusammenhängende Fläche frei gehalten wird. Im Brühl sind es zwei Häuser nebeneinander, ohne direkte Verbindung. „Für die zweckmäßige Ausstattung können wir sicherlich mit Hilfe vom Integrationsamt und von der Aktion Mensch rechnen“, so Kintscher.